Ich bin wieder (sehr) wohlbehalten vom Mont Blanc (UTMB) zurückgekommen.
Die 5 Tage dort waren in jeder Hinsicht die interessantesten, die ich bei einem Wettkampf erlebt habe.
Sei es die Stimmung vorher, meine Aufregung, die verschiedenen Läufer/innen aus den unterschiedlichsten Ländern und Kontinenten und letztendlich das Finale mit den Siegerehrungen!!!!
Vorweg nur noch kurz angemerkt!!!
Es waren auch die emotionalsten Momente für mich, vielleicht habe ich deswegen solange gebraucht, um den Bericht anzufangen, bzw. fertig zu stellen. Es ist also durchaus möglich, das es zwischendurch sehr persönlich wird. Ich bitte also um etwas Nachsicht!!
Unter "Der Lauf", ist der eigentliche Laufbericht!!!!
Es ist Donnerstag, der 28. August 2009, ich treffe mich mit Stefan am Flughafen Köln/Bonn, da wir nicht nur das gleiche Appartment in Chamonix währender Ultra Trail du Mont Blanc Tage teilen, sondern auch den gleichen Flug nach Zürich haben und dort gemeinsam mit dem Auto nach Frankreich weiterfahren wollen. Die letzten Kilometer entlang der Berghänge waren interessant, spiegelten sie doch schon ungefähr das wieder, was uns in den nächsten Tagen erwarten sollte. Vermischte sich da gerade etwas anderes unter die Vorfreude?!?
Einige Gipfel schmückten sich noch in weißer Farbe, andere waren karg und einige versteckten sich hinter Wolken. Als aber der Mont Blanc in unser Blickfeld kam, verblasste alles ringsherum. Erstmalig sah ich mit eigenen Augen einen Berg jenseits der 4000 Meter und hatte dennoch das Gefühl, als könnte ich den Gletscher greifen, so nah war er!!!
In Chamonix angekommen, trafen wir dann auf Andreas, unseren dritten und letzten Bewohner auf Zeit, der sich von Düsseldorf aus über Genf zum Mont Blancn aufgemacht hatte.
Nachdem wir unser Appartment besichtigt und die ersten Klamotten ausgepackt hatten, machten wir uns auf zur Messe, bzw. zur Abholung unserer Startunterlagen. Es waren bereits viele Läufer/innen unterwegs. Die kleine Messe lockte mit Outdoor-Artikeln der feinsten Sorte, wie überhaupt der Ort anscheinend problemlos vom Verkauf von Sportartikeln lebt, denn mindestens jeder 2. Laden hatte etwas mit Laufen, Wandern oder Klettern zu tun.
Allein unser Budget setzte uns hier natürliche Grenzen. grins
Zudem wurden hier noch einige exotische Laufveranstaltungen präsentiert, die neugierig machten, in Bezug auf das Land oder die Strecke!!!! Dazu werde ich mal Hinweise im Pfaden der "Ultra-(Lauf)träume" hinterlassen!!
Nun ging es auf zu den Startunterlagen und zum ersten Highlight dieser Tage, sprich zur Anekdote für die nächsten Jahre!!!!! Wir hatten unsere Laufkarten in der Hand und wollten uns zum jeweiligen Lauf melden. Stefan hatte für den CCC gemeldet, Andreas für den TDS und ich für den UTMB. Kaum waren wir aber im Schlauch für die Anmeldeprozedur, da wurde Andreas von 2 Herren aufgefordert, sie zu begleiten. In einer Mischung aus Französisch, Englisch und Deutsch wurde die Situation dann aufgeklärt!!!! Andreas musste zur Dopingkontrolle!!!!! Bis zu seinem Wettbewerbsbeginn wurde er damit natürlich immer wieder konfrontiert, teils aufgezogen und nach seinen Plänen gefragt, wie er denn unter die Top Ten einlaufen will. ;-)
Stefan und ich waren schon durch den Anmeldeparcour, hatten unsere Unterlagen, die Handgelenk-Chips mit den farbigen Bändchen (je nach Wettbewerb) und warteten vor dem Ausgang. Immer noch weit und breit kein Andreas zu sehen!!! Wir überlegten uns schon, ob er Flüssigkeiten nachschieben müsste, damit er seiner Pflicht nachkommen könnte, wurden dann aber eines besseren belehrt, als er dann endlich kam, seine Unterlagen holen konnte und uns sein Pflaster am Arm zeigte. Er musste doch tatsächlich zur Blutentnahme!!! Lobenswert, das der Veranstalter in einem Zufallsprinzig aus allen Läufer/innen gegen Doping vorgeht. Auf jeden Fall hatten wir jetzt reichlich Gesprächsstoff!!!
Der Donnerstag sollte dann noch in einem kurzen Treffen mit anderen Läufern aus dem Runner´s World Forum am Nachmittag und einem Abendtreffen mit Läufern, die ich aus einem anderen Forum kannte, zu Ende gehen.
Am Nachmittag trafen wir dann noch Walter und Guido, Eric war leider nicht dabei.
Zufällig ergab es sich, das wir beim Einkaufen noch weitere Läufer trafen. Dabei stellte sich heraus, das 2 von ihnen sogar im selben Flieger saßen, sich aber nicht kannten. Das war für alle eigentlich genau das Richtige, wir konnten uns ablenken, von unseren unterschiedlichsten Läufen erzählen und so gemeinsam etwas trinken gehen!!! Stefan war der Erste von uns, der am Freitagmorgen ran musste. Sein Start sollte um 10 Uhr in Courmayeur sein, das hieß für ihn früh aufstehen und sich mit dem Bus-Shuttle zum Start bringen lassen. Wir wünschten ihm schon am Vorabend viel Spaß, wussten wir doch nicht, ob wir ihn am Morgen überhaupt sehen würden. Jeder wünschte dem Anderen viel Glück für den Lauf. Wäre ich jetzt alleine im Hotel untergebracht, wäre diese gute Gefühl nicht aufgekommen. Es war gut, mit anderen untergebracht zu sein, die Ablenkung war nötig und der Spaß kam nicht zu kurz!!
Wir hatten zwar ein gemeinsames Appartment, allerdings ließ sich dieses zur Hälfte mit Trennwänden voneinander absperren. Ideal für uns, wären wir doch zu unterschiedlichen Zeiten unterwegs.
Er verabschiedete sich am Donnerstagabend auch recht früh, einerseits hieß es packen, versuchen zu schlafen und die Nervosität in den Griff zu kriegen und andererseits Spannung aufzubauen und in seinem speziellen Fall, nicht an seinen Lauf einige Jahre zuvor zu denken und die möglichen körperlichen Probleme auszublenden.
Einfacher gesagt als getan, zumindest was das Schlafen und das Eingrenzen der Nervosität betraf, denn meine Nacht war alles andere als ruhig. Kurze Schlafphasen wechselten sich mit innerer Unruhe ab, obwohl mein Start erst Freitagabend erfolgen sollte. Den Schlaf sollte ich aber genauso dringend benötigen, denn 2 Tage würde ich wohl auch ohne Schlaf unterwegs sein!!! Eine Laufzeit von 42 Stunden plus X hatte ich eingeplant, Hauptsache im Limit von 46 Std. eintreffen, alles andere war egal.
Stefan war nun unterwegs zum Start, Andreas und ich vertrieben uns den Tag mit Shopping, Rucksack packen und am Mittag auch mit einem Bier, nachdem wir kurz zuvor Guido trafen.
Ein wenig natürliches Doping war doch bestimmt erlaubt.
Am Nachmittag stand dann Pasta-Party und Kleiderbeutel-Abgabe an, denn dieser wurde nach Courmayeur (Italien) gebracht, der einzigen Möglichkeit zum Klamottentausch.
Jetzt wurde es langsam ernst. Andreas konnte noch entspannt sein, denn sein Start stand erst am Samstagmorgen um 5 Uhr an.
Der Startbereich füllte sich langsam, mehr und mehr Läufer aus verschiedenen Nationen, alle ausgestattet mit den roten Armbändchen für den UTMB versammelten sich in der Ortsmitte. Jetzt traf ich auch wieder bekannte Gesichter, die ich am Vorabend nur kurz in der Pizzeria besucht hatte, da Andreas und ich ja Stefan beruhigen wollten. ;-)
Es wurden einige Bilder gemacht, Klaus Duwe von marathon4you klatschte noch einmal alle ab, wünschte Glück, machte ein Gruppenfoto und meinte dann zu mir, "das er mir wünscht, das mir jemand in den Bergen kräftig in den Hintern treten würde, sofern sich mentale Schwäche abzeichnen würde". Wie gerne hätte ich später so jemanden gebrauchen können!!!
(Der Lauf)
Die Musik spielte Vangelis und die letzten Sekunden wurden mehrsprachig runtergezählt. Mich durchströmte schon einige Minuten vorher alles, was an Emotionen möglich war. Nervosität, Aufgeregtheit, Unsicherheit, Angst, Gänsehaut, Stress, Adrenalin und leichtes Frieren vom Zittern, begleitet von feuchten Augen. Ich konnte nicht glauben, das ich in dieser Menge stehe und gleich einen etwas mehr als anstrengenden Lauf vor mir haben würde. Da standen nun ca. 2500 Läufer/innen am Start, die sich bei Läufen rund um die Welt dafür qualifiziert hatten und einen der interessantesten Bergläufe in Europa bestreiten wollten. Ich war einer von ihnen und fühlte mich wie angekommen, in einem meiner ersten Laufträume!!!!
Der Start erfolgte und wir ließen uns von den Zuschauern feiern, gehend in den Ort hinein, umsäumt von tausenden von Menschen!! Wo kamen die alle her?!? Entlang einer er Haupteinkaufsstraßen ging es dann heraus aus Chamonix, immer noch angefeuert und bejubelt von den Menschen. Gänsehaut pur, niemals zuvor hatte ich so ein geiles Laufgefühl, obwohl wir immer noch gehend unterwegs waren. Langsam erst kamen wir in einen Laufschritt und waren schon fast aus dem Ort raus, hörte ich rein zufällig Andreas und Guido nach mir rufen!! Ich kehrte um und wir klatschten uns noch einmal ab. Es ist doch immer wieder schön, vertraute Stimmen, bzw. den eigenen Namen zu hören!!! Die Startnummern waren mit Vor- und Zunamen versehen, zusätzlich mit der jeweiligen Nationalflagge aus dem Heimatland. So konnte ich dann später erkennen, aus welcher Herren Länder viele Läufer herkamen, die mich überholt hatten, oder die ich überholen konnte. Später an den Auf- und Abstiegen, sah man eh immer wieder die gleichen Gesichter, wenn man dann in seinem eigenen Tempo unterwegs war. Australier, Amerikaner, Süd-Koreaner, Japaner, Süd-Afrikaner und natürlich jede Menge Europäer waren dabei. Eine herrlich schöne, bunte internationale Mischung.
Die ersten Kilometer waren flach und leicht wellig, gingen in den Wald hinein und stimmten langsam auf die Strecke ein, zum "einrollen" ideal. Konnte man hier doch noch quatschen, Blödsinn machen und alles auf sich wirken lassen. Ca. 8KM verlief diese Strecke flach, bis es dann zum ersten Mal etwas hinauf ging. Von Les Houches ging es dann bis Le Charme auf 6,9km fast 800 Höhenmeter hinauf. Es wurde langsam dunkel, das Profil war aber noch zu erkennen. Die kommende Nacht sollte recht klar werden, Sterne waren zu erkennen und das Feld zog sich so langsam auseinander. Einzelne bekannte Läufer traf man wieder, wünschte sich gegenseitig alles Gute und präparierte die eigenen Stöcke zur Unterstützung für den immer noch nicht aufhörenden Aufstieg. Erste Stirnlampen wurden herausgeholt. Auf dem Weg hinauf gab es immer wieder Anfeuerungen von Zuschauern und Unterstützung in Form von u.a. "Bon Courage". Gerne hätte ich jetzt mehr französisch gekonnt.
Auf dem Weg hinab nach Saint Gervais wurde es dann auch wieder voller und lauter. Klasse, wie hier die Dörfer rund um dieses Event mitziehen!!! Nach diesen negativen 1000 HM hieß es erst mal wieder auf den kommenden 14 Kilometern bei leichter Steigung von 400 HM herantasten an die erste Bergherausforderung!!!! Der Croix du Bonhomme sollte uns dann noch mal auf den nächsten 9 KM weitere 1000HM auf dann 2479HM führen. Es war stockfinster, kühl und wurde langsam windiger. Ärmlinge und Jacke hatte ich mittlerweile angezogen, Handschuhe waren noch nicht nötig, auch nicht wegen der Stöcke. Obwohl ich hier vermutet hatte, das dort die ersten Blasen auftreten würde. Aber der Hinweis in den Startunterlagen, das man bei Bergabpassagen ( wegen möglicher Stürze) die Hände nicht in die Schlaufen stecken sollte, war ideal für mich. Denn auch bergauf hielt ich die Stöcke ohne Schlaufen fest und hatte ein anderes Gefühl beim Greifen/Festhalten der Stöcke.
Der Weg hinauf zu Bonhomme war beschwerlich und dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Mein Rhythmus wurde immer besser, ich hatte meine Geschwindigkeit gefunden, kam ordentlich ins Schwitzen und überholte einen nach dem anderen Läufer, oder besser Wanderer!!! Es lief hervorragend, eine Läufertraube bildete sich hinter mir, dennoch kamen auf den schmalen und steilen Anstiegen immer wieder von hinten Läufer/innen teils auch ohne Stöcke an uns heran und dann auch vorbei. Bergab sollte sich das dann wieder vermischen. Ich war froh, das ich Ersatzklamotten dabei hatte und wollte oben angekommen, mich am Oberkörper komplett neu einkleiden, um nur ja nicht zu frieren und so gut durch die Nacht zu kommen!!! Kurz vorher gabe es aber noch einen Verpflegungsposten mit Lagerfeuerromantik, bei dem sich viele aufwärmten. Spontan entschloss ich mich bereits hier umzuziehen und dabei zu essen und zu trinken. Apropos Speisen und Getränke, wir waren in Frankreich und es gab viele Leckereien, von Käse und Salami, um nur diese Beiden zu nennen. Ich würde reichlich satt werden und hatte dahingehend viel zu viel eigene Verpflegung dabei. ;-) Nun war es auch nötig, Getränke mit dem eigenen Becher entgegen zu nehmen, oder den Trinkbeutel/Trinkflasche auffüllen zu lassen, denn geschätzte 2-3 Stunden später würde erst die nächste Station kommen. Das war aber bekannt und eine gewisse Selbstverpflegung ja auch Pflicht!!! Gescannt wurden wir hier auch zum wiederholten Male, so konnte man uns dann auch "LIVE" auf der Homepage des Veranstalters verfolgen, bzw. die Läufer per SMS verfolgen, sofern man diesen Service gebucht und bezahlt hatte. (Funktionierte übrigens reibungslos!!!!!)
Auf dem Gipfel des Croix du Bonhomme war es neblig, windig und kalt, dennoch waren hier einige Zelte aufgebaut, um uns zu empfangen und darauf hinzuweisen, das der folgende Abstieg hinunter nach Les Chapieux gefährlich sein würde und Vorsicht angebracht ist. Teils feucht, teils steil, teils in Serpentinen ging es 900 Meter hinab. Sehr anstregend war dieser Abstieg, weil man einerseits nicht wusste was kommt und weil andererseits viele vorsichtiger und somit langsamer waren als geplant. Aber alle behielten hier die Ruhe und niemand beschwerte sich darüber, das es langsam voran ging!!! Ca. 6 Kilometer zog sich dieses Stück, bevor wir dann unten auf ca. 1549 HM in Les Chapieux ankamen. Jetzt hatten wir noch nicht einmal ein Drittel erreicht, waren schon 50km unterwegs und hatten ca. 2800 pos. HM und ca. 2300 neg. HM hinter uns. Langsam wurde es wieder hell, schade eigentlich, denn auch zur Nachtzeit macht es unheimlich Spaß zu Laufen/Wandern, wenn man vor und hinter sich die Läufer mit ihren Stirnlampen erkennen kann. Noch ca. 10 Kilometer und ich würde meinen ersten Länderübergreifenden Lauf absolviert haben, denn mit dem Col de la Seigne würde ich die Grenze zu Italien überlaufen, bis dort oben würden es aber wieder 1000 HM hinauf gehen, wobei wir aber einen Anlauf hatten, denn wir konnten die letzten 500 HM auf den letzten 3KM schon von weitem erkennen. ;-) Dabei versuche ich immer durch die heruntergezogene Kappe zu vermeiden zuviel vom Horizont zu erkennen, um nur ja nicht zuviel vom Profil zu erkennen. *lach* Aber ich konnte nicht anders, ich musste einfach gucken, denn das Panorama auf 1500 Meter Höhe war einfach zu faszinierend. Langsam kam auch der Mont Blanc wieder in Sichtweite, nur dieses Mal halt von der italienischen Seite. Beeindruckt von der Umgebung, musste ich wieder inne halten, holten zum xten Male meine Kamera heraus und machte Bilder, blieb noch faszinierend stehen und wollte eigentlich gar nicht mehr weg. Der Himmel strahlte langsam immer mehr in hellerem Blau und die Sonne war am Horizont zu erkennen, es wurde wärmer und die Wasserfälle unterhalb des Gletscher waren weitläufig zu hören. Ich weiß nicht, wieviele Läufer an mir vorbeikamen und etwas sagten oder stumm an mir vorbeiliefen, es war mir schlichtweg egal!!! Dann bekam ich einen Klaps auf die Schulter und wurde von einem Läufer begrüßt. Wir hatten uns schon mehrfach auf den Aufstiegen, bzw. Abstiegen gesehen und an den verschiedensten Stellen fast gleichzeitig Bilder gemacht. ;-) Okay, die traumhafte Umgebung hatte ich gespeichert, bildlich im Kopf und in der Kamera, nun musste es weitergehen. Der Col de la Seigne hatte auf 2516 Meter Höhe eine beeindruckende Rundumsicht, dank bestem Wetter, die Jacke hatte ich schon lange wieder ausgezogen und die Ärmlinge störten so langsam auch. Mehr als kurzes verschnaufen war hier aber nicht angesagt, denn auf den kommenden 9KM sollte es noch einmal richtig zur Sache gehen, denn erst hieß es knappe 550 neg. HM auf den kommenden 5km nach Lac Combal hinunterzulaufen, bevor es dann für die nächsten 4km wieder 500 pos. HM hinauf nach Arete du Mont-Favre ging. So langsam bemerkte ich die Abstiege in den Oberschenkeln, das Bedürfnis leicht abschüssige Strecken eher zu laufen als zu gehen, stieg mehr und mehr, damit die Belastung weniger stark war, auch wenn sich das merkwürdig anhört. ;-)
Wir waren wieder auf über 2400 Metern Höhe und nun ging der Abstieg bis auf 1190 Metern Höhe hinunter nach Courmayeur. Auf 9km etwas mehr als 1200 Meter hinab. Nun folgte der anstrengendste Teil der Strecke, denn hier ging es viel auf Serpentinen herunter, die staubig waren und unrhythmisch, weil auch teils Stufen integriert waren, die nicht irgendeiner Norm entsprachen. *lach* Die Stimmen aus Courmayeur wurden immer lauter, der Lautsprecher tönte weit hinauf, dennoch war die Stadt recht klein aus der Perspektive von oben ins Tal hinab. Es dauerte lange, zog sich hin, bis ich dann doch endlich unten angekommen war. Ich war glücklich, frierte mal wieder vor Anspannung und nahm meinen Kleiderbeutel entgegen, setzte mich in die Halle und genoß den Blick in die Runde, wo viele Läufer tranken, sich unterhielten und Nudeln zusich nahmen, um dann den 2. Teil der Strecke in Angriff zu nehmen. Hier traf ich 2 Läufer vom Start, einer hatte Magenprobleme und einer war kurz davor weiterzulaufen. Ich zog mich wieder zurück und schaute auf die Uhr, betrachtete das Streckenprofil und die Cut-Off-Zeiten. Es war das erste Mal, das ich diesen Blick wagte, vorher wollte ich nicht wissen, wie gut oder schlecht ich in der Zeit lag. Das Gefühl war gut, alleine schon wegen der Vielzahl von Läufern, die vor mir und hinter mir unterwegs waren.
Nun setzte sich etwas bei mir in Bewegung, was ich bis heute als meinen größten Fehler/größte Schwäche herausstellte. Ich fing an zu DENKEN!!! Eine halbe Stunde bis Cut-Off in Courmayeur hatte ich noch, also Zeit genug zum Umziehen, essen und trinken, sammeln und sich gedanklich auf die nächsten Kilometer vorzubereiten. Ich fühlte mich körperlich wohl, trotz des anstrengenden Abstiegs. Aber, ja, aber nun fing der Kopf an, hmm, eine halbe Stunde, noch einmal die gleiche Distanz, mit Tendenz zu langsameren Zeiten, wo würde mich den Cut-Off erreichen, irgendwo zwischendrin, ohne Ersatzklamotten und schlechter Möglichkeit zurückzukommen, ...... Es war nicht mehr aufzuhalten, ich stellte meine künftigen Stunden selbst in Frage, machte mir keinen Mut mehr, sondern ließ aufkommende Zweifel zu.
10 Minuten vergingen so in Selbstzweifel, bis ich dann soweit war und eine Entscheidung zugunsten eines Ausstiegs gefallen war. Zu dem Zeitpunkt war ich keineswegs enttäuscht, sondern in dieser Situation fühlte ich mich vernünftig und entscheidungsstark.
Wie gesagt, zu diesem Zeitpunkt. Ich zog mich um, holte mir etwas zu essen und zu trinken, rief zuhause an, das ich Aussteigen würde und nicht auf weitere SMS warten sollte und war irgendwie zufrieden. Meine Startnummer ließ ich entwerten und ging zur Bushaltestelle, um von dort bequem per Shuttle von Courmayeur nach Chaomix fahren zu können. Nach ca. 1 Stunde dort angekommen, herrschte reichlich Trubel im Ort, Videoleinwände zeigten aktelle Bilder. Es war kurz vor 14 Uhr und die ersten möglichen Finisher würden wohl gegen 16 Uhr eintreffen. Nur wer sollte es werden, war die große Frage, denn die Sieger der letzten Jahre waren am Start, vom jungen Spanier, dem Vorjahressieger über den hervorragenden Italiener, der glatt sein Vater sein könnte und einigen Mitfavoriten aus Asien.
Ich rief Stefan an, um zu wissen, wo er in Chamonix war, da ich keinen Appartment-Schlüssel hatte. Wir trafen uns und tranken erst einmal ein leckeres, kühles Bier, er erzählte mir von seinem Lauf und seinen Gedanken, Emotionen und Streckenerlebnissen vom CCC. Er war überglücklich und ich freute mich mit ihm. Ich war immer noch überzeugt, das Richtige getan zu haben und erzählte von meinen 16 Stunden Lauferlebnis von Chamonix nach Courmayeur. Die Zeit verstrich und laut Moderatoren im Ziel würde es nicht mehr lange dauern, bis der erste Läufer ins Ziel kommen sollte. Es wurde lauter und rund um die letzten 500 Meter durch die Stadt bildeten sich so langsam wieder Zuschauerreihen, da unser Restaurant direkt an der Strecke war, hatten wir keinerlei Probleme direkt an den Streckenrand zu kommen, dank Parkbank und einem stabilen Abfallbehälter behielten wir auch etwas den Überblick. ;-)
Es war der Vorjahressieger aus Spanien, den wir erkennen konnten. Locker lief er auf uns zu, ließ sich feiern und bedankte sich, klatschte teils die Zuschauer ab und finishte in einer beeindruckenden Zeit von etwas mehr als 21 Stunden!!!! Wahnsinn, wie muss er und die nachfolgenden Läufer/innen, die Berge hochgelaufen sein?!? Die erste Frau, ebenfalls Vorjahressiegerin aus den USA finishte nach ca. 24 Stunden!!!!
Alle wurden gefeiert und bejubelt. Am Abend saßen wir wieder an der Strecke und ich hatte das Gefühl, das sich nichts geändert hatte. Finisher kamen hinein und wurden unter Beifall auf ihren letzten Metern unterstützt, mal kamen sie laufend, mal genüsslich gehend.
Jede/r von ihnen hatte es verdient, ich hoffte für diejenigen, die in der Nacht ins Ziel kamen, das die Unterstützung genauso klasse sein würde.
Am Sonntagmorgen trudelte unser 3. Mitbewohner aus Düsseldorf von seinem Lauf (TDS) ein, er finishte in Courmayeur, da sie in Chamonix gestartet waren. Er war total beeindruckt vom Lauf und strahlte über das ganze Gesicht und wir hörten ihm gespannt zu. Leider erzählte er auch von seinem Mitläufer, der unterwegs aufgeben musste. Jetzt schlugen zum ersten Mal die Gedanken bei mir um, ich fühlte mit ihm. Andreas wollte sich erst einmal eine Mütze Schlaf gönnen, Stefan und ich gingen wieder ins Stadtzentrum und wollten kommende Finisher/innen mit Applaus begrüßen. So langsam sollten diejenigen ankommen, welches auch mein Zeitfenster gewesen wäre. Jetzt herrschte etwas mehr Atmosphäre, denn die Läufer/innen ließen sich mehr feiern, genossen gehend, bzw. ließen sich von ihren Familien auf den letzten Metern begleiten. Nun war es bei mir vorbei, ich konnte nicht mehr, ich stand am Streckenrand und kämpfte mit meinen Tränen, war beeindruckt von den Ankömmlingen, erkannte einige die in den ersten Stunden mit mir liefen und war enttäuscht, frustriert über mich selbst, stolz und glücklich über die anderen Läufer, das sie es geschafft hatten!!!!
Stefan musste an diesem Sonntag nach Hause und so verbrachte ich mit Andreas den Sonntag und wir schauten uns die spätere Siegerehrung an. Teilnehmer aus dem PTL, dem 3er Wettbewerb kamen immer wieder ins Ziel, Teams die seit Mittwoch unterwegs waren, mit Rucksäcken die so groß waren, das man sie eher zum Wandern tragen würde!!!!!
5 Tage laufend und wandernd unterwegs!!! Sie bekamen den meisten Applaus, besonders als die Sieger geehrt wurden und die letzten Finsher mit auf die Bühne durften. Die letzten UTMB-Finsher wurden gefeiert wie die Sieger und als die letzten PTL-Teams ankamen, standen alle auf feierten sie frenetisch. Welch geile Atmosphäre, hier gab es nur Sieger, egal auf welchem Platz man letztendlich eingetroffen ist. Ich saß mittendrin und hatte seit einiger Zeit Gänsehaut und eine Mischung aus "hier muss ich im nächsten Jahr dabei sein und finishen", bis zu, "was bin ich für ein Idiot, das ich abgebrochen habe, obwohl ich keinerlei körperliche Probleme hatte".
Dieses Gefühl verstärkt sich seit den letzten Tagen mehr und mehr. Aus Frust ist Ärger über mich selbst geworden. Das positive an dem Ganzen ist, das ich motivierter als jemals zuvor bin/war. Ein gewisser Bewegungsdrang ist vorhanden, gerade weil ich mich nicht ausbelastet fühle. *lach* Aber ich versuche besonnen zu bleiben und das nächste Jahr gewissenhaft zu planen und mir beim UTMB in Chamonix eine neue Chance zu geben.
Punkte als Quali für den UTMB habe ich genug, das sollte kein Problem sein.
Hilfreich wird es sein, das meine Mitbewohner, Stefan mit dem CCC und Andreas mit dem TDS jetzt auch genügend Punkte (mit einem zusätzlichen anderen Lauf) haben, um im nächsten Jahr ebenfalls am UTMB teilzunehmen. Zumindest spekulieren sie damit und freunden sich mehr und mehr damit an!!!!
Das wäre es doch!!! Eine Wiederholung der 3er WG mit gleichem Ziel in 2010!!!
Kann es eine größere Motivation geben?!?
Grüße
Michael
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen